Im Rahmen der Mitgliederversammlung 2015 in Heidelberg, haben die Delegierten der ba.-wü. Innungen eine Resolution gegen den sich weiter verschärfenden Verdrängungswettbewerb durch regionale und überregionale Vertriebsunternehmen der Energieversorger gefasst.
Vor dem Hintergrund des sich weiter verschärfenden Wettbewerbs auf dem Energiemarkt durch neue Anbieter wie Google, Apple, Lidl oder Tchibo, aber auch vor allem durch den sich verschärfenden Verdrängungswettbewerb durch regionale und überregionale Vertriebsunternehmen der Energieversorger fassten die Innungsvertreter einen Text, der sich kritisch mit der Situation auseinandersetzt. Diese Resolution soll die Unternehmerpersönlichkeiten im baden-württembergischen E-Handwerk dafür sensibisieren, dass die ehemals bestehenden Gebietsmonopole aufgelöst und der gesetzlich gewollte Unbundling-Prozess – also die Trennung der Produktion, der Verteilung und des Vertriebs von Energie –abgeschlossen ist. Damit haben sich auch die Rollen der Player am Markt geändert. Wer früher Partner war ist heute vielleicht ein Wettbewerber...
Ausgangssituation
Die Energiewende ist allgegenwärtig und notwendig. Die Nutzung regenerativer Energiequellen bzw. die Dezentralisierung der Energiegewinnung macht viele Veränderungen notwendig. Im Bereich der Energieverteilungsnetze ebenso wie bei Energieproduktion in den bisher bestehenden Großkraftwerken insbesondere vor dem Hintergrund des politisch beschlossenen Ausstiegs aus der Kernkraft in Deutschland. Dieser Prozess bringt viele Veränderungen für alle Marktbeteiligten mit sich.
Ertragskraft der Energievertriebsunternehmen sinkt
Über die Medien werden derzeit Nachrichten hinsichtlich der negativen Jahresabschlüsse vor allem der großen Energieversorgungsunternehmen verbreitet. Die Ertragskraft insbesondere auch der Energievertriebsunternehmen sinkt. Angesichts des Preisverfalls am Stromgroßhandelsmarkt im Zusammenhang mit dem Erneuerbare-Energien-Stromangebot haben insbesondere die Energieversorger mit eigener Erzeugungskapazität Preisprobleme, da deren Kraftwerke nur unzureichende wirtschaftliche Laufzeiten haben. Betroffen davon sind große Stromerzeuger aber auch die Stadtwerke. Insbesondere Stadtwerke erfahren politische Unterstützung aufgrund der in der Vergangenheit erfolgreich geübten Quersubventionierung der Verkehrssparte (bzw. der Bäder oder vergleichbarer Angebote im kommunalen Bereich) im jeweils gleichen Unternehmensverbund.
Im Hinblick auf die Erzeugungssparte versprechen sich die Kraftwerksbetreiber eine Entlastung durch politische Bestrebungen, künftig ein Kapazitätsmarktdesign – Vorhalten von Kraftwerkskapazität zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit mit einem Entlohnungssystem über den Strompreis – zu etablieren. Auch die Landesregierung in Baden-Württemberg steht Kapazitätsmärkten aufgeschlossen gegenüber.
Markteinführung von Smart Metern steht an
Parallel ist die Einführung von Smart Metern nach Vorgabe der EU-Richtlinie in der Vorbereitung. Smart Meter verbinden das Smart Home mit dem Smart Grid. Nach einer aktuellen Umfrage unter Stadtwerken beschäftigen sich heute 26 Prozent mit Smart-Home-Technologien, sieben Prozent bieten konkrete Produkte an. Künftige Angebote zur Synchronisierung von Stromerzeugung und -verbrauch stehen dabei im Fokus.
Der fernauslesbare Kunde, der seinen Strom steuern und im Webportal alles sehen kann, ist die Vision. Ob variable Tarife angeboten werden, um das private Verbraucherverhalten entsprechend zu beeinflussen, bleibt abzuwarten. Im industriellen, gewerblichen und zum Teil auch im Öffentlichen Bereich sind Lastmanagement-Lösungen bereits heute vielfach etabliert. Zukünftig sollen über das sog. Demand-Side-Management dann Energieerzeugung und -verbrauch möglichst in Echtzeit abgeglichen werden. Hier entsteht ein Geschäftsfeld für den Energievertrieb und bei den Netzbetreibern.
Vertriebsunternehmen suchen neue Märkte
Die Vertriebsunternehmen der Energieversorger suchen neue Märkte, auch im Hinblick darauf, sich vom Wettbewerb mit anderen Versorgern zu differenzieren. Sie stützen sich in der Argumentation im Hinblick auf die Ausweitung ihrer Geschäftsfelder auf die EU-Energieeffizienzrichtlinie aus dem Jahr 2012, die in Deutschland noch nicht vollständig umgesetzt ist. In Artikel 7 wird dazu sinngemäß ausgeführt, dass jeder Mitgliedstaat ein Energieeffizienzverpflichtungssystem einführt.
Dieses System muss gewährleisten, dass die EU-Mitgliedstaaten – also auch Deutschland – im Zeitraum 2014 bis 2020 jährlich durchschnittlich 1,5 Prozent Energie einsparen. Die Hauptlast der Erzielung der jährlichen Energieeinsparung sollen nach dem Willen der Bundesregierung die Energieversorgungsunternehmen tragen. Diese können z. B. durch einen zu belegenden Rückgang des Energieabsatzes einen entsprechenden Nachweis erbringen. Ein Dilemma, das diese Unternehmen zu neuen Geschäftsmodellen zwingt.
Angesichts des geschilderten Szenarios ist festzustellen, dass sich zunehmend Stromlieferanten anschicken, Erfolge in neuen Tätigkeitsfeldern anzustreben. Neben einer langjährigen Kundenbindung spielen auch zusätzliche Erlöse über die Bereitstellung bzw. Lieferung von technischen Betriebsmitteln oder Online-Anbindungen eine Rolle. Stromvertriebsunternehmen gründen oftmals Tochterunternehmen für neue Märkte.
Häufig werden Tochterunternehmen gegründet, um Angebote an Endkunden zu richten:
Der FV EIT BW hatte diese Punkte bereits an der Schnittstelle zu einer ganzen Reihe dieser Vertriebsunternehmen in Gesprächen kritisch hinterfragt und seine Bedenken zum Ausdruck gebracht. Auch wurde der Kontakt zu den für die Energieaufsicht zuständigen Behörden genutzt, um auf die oftmals in der Praxis nicht klar getrennten Bereiche insbesondere der „Netzbetreiber“ und der „Vertriebsunternehmen“ hinzuweisen.
Der FV EIT BW ist der festen Überzeugung, dass sich die Themengebiete „Smart Home“, „Smart Energy“ und „Internet-der-Dinge“ als große Megatrends der nächsten Jahre durchsetzen werden. Flankierend stützen diese Technologien auch die Marktbestrebungen von Energievertriebsunternehmen.
Aus Sicht des FV EIT BW haben diese Aktivitäten der Energieversorgungsunternehmen nicht das Potential, die fehlenden Ergebnisse der traditionellen Geschäftsfelder des Energievertriebs zu kompensieren. Auch entstehen i.d.R. mit dem Markteintritt der Stromlieferanten keine neue Märkte. Es verschieben sich jedoch Marktanteile zu Lasten anderer Marktteilnehmer wie z.B. den E-Handwerksunternehmen. Der Wettbewerb mit Energievertriebsunternehmen ist heute bereits deutlich sichtbar und wird sich nach Einschätzung des FV EIT BW noch weiter verschärfen.
Auf der Mitgliederversammlung am 27. Juni 2015 in Heidelberg fassten die Obermeister, Delegierten und Geschäftsführer der Mitgliedsinnungen im FV EIT BW einstimmig diese Resolution.
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